Ich habe eigentlich gar keine Lust mehr, diesen Artikel fertig zu schreiben. Vielleicht nutzt er aber denjenigen als Warnung, die sich ernsthaft mit dem Gedanken tragen ihre Daten Bitcasa anzuvertrauen.
Guter Start von Bitcasa, dann hagelte es Probleme
2011 gegründet, kräftig gehyped und mit 9 Millionen Dollar Startkapital versehen, hat Bitcasa es nach einem guten Start mittlerweile schon zweimal geschafft, seine Nutzer kräftig vor den Kopf zu stoßen. Jeweils zum Jahresende 2013 und 2014 wurden weitreichende Änderungen am Preis- und Geschäftsmodell vorgenommen. Dazu kamen Probleme mit nicht wiederherstellbaren Dateien und einer schlechten Performance.
Gestartet mit unbegrenztem Speicherplatz für 99 $ pro Jahr und einer Verschlüsselung noch auf dem Endgerät des Benutzers vor dem Upload, präsentierte sich Bitcasa als sicherere und preiswertere Alternative zu den Mitbewerbern wie Dropbox und Konsorten.
Die Kunst, seine Kunden gleich mehrfach zu verprellen
Im Jahre 2013 wurde der Preis für den unbegrenzten Speicherplatz von 99 $ auf 999 $ pro Jahr angehoben. Ein Sturm der Entrüstung tobte damals durch die sozialen Netzwerke und das Anwenderforum bei Bitcasa und das, obwohl bestehende Nutzeraccounts von der Umstellung nicht betroffen waren. Die bestehenden Nutzer traf es dann ein Jahr später, als das Produkt „unbegrenzter Speicher“ mit der sehr kurzen Vorwarnzeit von 4 Wochen eingestellt wurde. Alle aktiven Accounts mussten zu neuen Konditionen auf eine neue Plattform migriert oder geschlossen werden. Dazu kamen noch ein, zur Zeit der Umstellung nicht aktives Forum, ein nachträglich gelöschter Blogpost seitens Bitcasa, eine einstweilige Verfügung gegen die Firma und eine zweite Welle der Entrüstung, die über Bitcasa zusammenbrach. Als Krönung beklagten sich viele Nutzer über Datenverlust nach der Migration auf die neue Technologie/Plattform. Das mit dem Datenverlust kann ich bestätigen. Bei mir war ungefähr die Hälfte der Daten unbrauchbar. Filme und Musik waren nur noch als 0 Byte Dateien vorhanden und Bilder wurden tw. nur noch halb dargestellt. Nicht wirklich schlimm, da noch mal lokal vorhanden, aber das Vertrauen in den Dienst ist damit erst mal dahin.
Meine persönlichen Erfahrungen bis November 2014
Ich nutze Bitcasa seit Mai 2012. Damals benötigte ich ein Online Archiv für eine große Bilder-, Musik- und Videosammlung, das als zweites BackUp neben einer lokalen Datensicherung auf externer HD mitläuft. Diese Mediensammlung war mir zu groß, um sie in meine täglichen BackUp-Routine mit einzubauen. Ich greife auch eher selten darauf zu, es werden kaum noch Dateien hinzugefügt, die Daten sind mir dennoch wichtig.
1 TB Musik, Fotos und Videos
Ich habe eine Musiksammlung, die ca. 300 GB groß ist. Da stecken Unmengen von von LPs und CDs drin, die irgendwann mal digitalisiert und danach verkauft wurden. Ich kenne ja auch noch die Zeiten vor den Streamingdiensten :) Viele Titel sind heute gar nicht mehr zu bekommen, außer vielleicht als extrem teure Importe, die meisten Liveaufnahmen gibt es so nicht mehr zu kaufen. Hat also einen gewissen nostalgischen Wert. Die Fotos sind alle völlig unbedenkliche private Aufnahmen. Landschaften, Städte, Hunde, kaum Personen – nimmt auch noch mal 75 GB ein. Dann gibt es noch eine Videosammlung: Konzertaufnahmen, Motorsport, einige private Sicherheitskopien von Filmen – nochmal 500 GB.
2 Jahre lief es gut
Der Preis war ok. 79,- € pro Jahr für 1 TB Onlinespeicherplatz, am Anfang passte alles. Die Weboberfläche ließ sich einigermaßen flott bedienen, Streaming über den Browser ging ohne Probleme, es ließen sich die verschiedensten Dateiformate vernünftig darstellen – einen rudimentären Audioplayer gab es auch.
Da ich nie die „unbegrenzt“ Option gebucht hatte, war mir auch völlig egal, dass der Preis Ende 2013 erhöht wurde.
Datenverluste hatte ich damals keine, das von Bitcasa angewandte Prinzip des virtuellen Laufwerkes, dass sich in den Explorer integriert (anders als die Ordner der anderen Onlinespeicher Dienste) funktionierte. Das Streaming via Android App war auch in Ordnung. Ich war zufrieden.
Das Desaster im November 2014
Im November 2014 erfolgte dann die zwangsweise Umstellung auf einen neuen Kontenplan (die „unbegrenzt“ Option fiel weg) und auf eine neue Plattform. Es wurden wohl grundlegende Verfahren der Verschlüsselung und Aufbewahrung der Daten geändert, mit den alten Systemen konnte man das nicht mehr umsetzen. Eine neue Generation der Desktop Software und neue Apps wurden ebenfalls veröffentlicht.
Die Umstellung lief bei mir laut Web-Backend normal ab, das Ganze war nach einigen Stunden erledigt, die Meldung, dass alles ohne Probleme geklappt habe, erhielt ich auch. Alles in Ordnung. Dachte ich. Und eine Vielzahl anderer Nutzer auch.
Der Super-Gau: Datenverlust
Das ist das einzige, was bei einem Online-Speicher-Dienst nicht passieren darf.
Im Rahmen der Migration hat es unzählige Nutzer erwischt. Korrupte Daten, tagelanges warten auf dann erfolglose Downloads, der Frust war enorm. Die Reaktionen von Bitcasa beschränkten sich auf hilflose „Es tut uns sehr leid“ Antworten, ansonsten wurden die Köpfe ziemlich tief in den kalifornischen Sand gesteckt.
In meiner Sammlung sah es verheerend aus. Alles für die Tonne. Das Chaos sichten und reparieren – nein danke. Ich habe also online erst mal alles gelöscht.
Letzte Chance, ein neuer Start
Bitcasa hat mir bis dahin gut gefallen. Es hat alles funktioniert, wie es sollte, die Bedienung war schlüssig, der Dienst hat irgendwie Spaß gemacht.
Eine gute Gelegenheit für eine zweite Chance also.
Ich habe dann die Desktop Software auf einem Rechner, der sonst nichts zu tun hatte installiert und das Medienarchiv dort aufgespielt. Der Rechner hat dann in ca. 3 Tagen alles in meinen Bitcasa Account geschaufelt. Dann habe ich die ganze Geschichte noch mal ca. eine Woche in Ruhe gelassen (es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen größere Dateien erst 1 bis 2 Tage nach dem Hochladen zum Streaming zur Verfügung standen) und mir danach mal meine „Online Datensicherung“ angeschaut.
Bitcasa hat zum zweiten Mal total verkackt
Haufenweise 0-Byte Dateien, 404er, andere Zugriffsfehler, halb dargestellte Bilder usw.
Das erneute Hochladen hätte ich mir sparen können – es sah alles genauso beschissen aus, wie direkt nach der Migration.
Status Quo bei Bitcasa 2015
Meiner Meinung nach säuft der Laden gerade ab.
Aber richtig. Zu mindestens im Bereich Bitcasa Drive. Wie es mit den anderen Produkten läuft, weiß ich nicht.
Bevor das hier ein richtiger Roman wird, nur noch ein paar Fakten zur jetzigen Situation.
- Das Bitcasa Community Support Forum wurde zum 31.01.2015 geschlossen.
Braucht man nicht weiter kommentieren: Rückzugsgefechte!
Ich habe dann meine Daten bei Bitcasa zum 2. Mal komplett gelöscht und zu Testzwecken nur einen Ordner mit einigen Dateien hochgeladen.
Hier die sehr ernüchternden Ergebnisse:
- Korrupte Dateien, die sich weder abspielen, anschauen oder downloaden lassen
So sieht es z. B. in der Excel Tabelle aus dem Beispiel aus:
Das liegt übrigens nicht am Excel Viewer, die Datei lässt sich auch nach dem Download nicht öffnen.
Das ist nun wirklich ein ernüchterndes Ergebnis. 4 von 4 versenkt. 6, setzen!
Da fällt kaum noch auf, dass:
- es die Versionierung auch nicht auf die neue Plattform geschafft hat. Elegante Lösung von Bitcasa: die jeweils letzte Version einer Datei war für 30 Tage im Papierkorb zu finden.
- die Up- und Downloadraten nicht mehr über 1,5 Mbit gehen
- die im Papierkorb vorhandenen Dateien und Ordner sich nicht endgültig löschen lassen, weil sie angeblich nicht vorhanden sind
- die Weboberfläche manchmal Minuten lädt um dann doch nichts zu finden und
- die Desktop Software für Windows manchmal ein zweites Bitcasa Laufwerk erzeugt, auf dem nicht gespeichert werden kann
Weiteres interessantes Detail: Die Dateien, die im Screenshot oben leicht ausgegraut angezeigt werden und sich überhaupt nicht aufrufen oder betrachten lassen, sind in den alten Backups schon vorhanden gewesen. Das MP4 Video, bei welchem der Klick zu mindestens den Player startet (abspielen lässt es sich ebenfalls nicht) ist vorher noch nicht bei Bitcasa gespeichert gewesen.
Es gab noch weitere Merkwürdigkeiten, aber mir reicht es jetzt.
Der komplette Account scheint nach der Zwangsmigration völlig im Eimer zu sein und ich bin jetzt weg.
Ich sehe keinen Sinn darin, mich durch die Kontaktaufnahme mit dem Support zu quälen und zu versuchen diesen Inkonsistenzen auf die Spur zu kommen. Ihr hattet eure Chance und habt es vergeigt.
Schlimm genug, wenn man seine Technik nicht unter Kontrolle hat, das ganze Drumherum zählt ebenfalls mit. Und da scheint es mir so, als würde Bitcasa gerade genau auf den Abgrund zuhalten.
Mir tun nur die Nutzer leid, die so blöd naiv unbedarft optimistisch waren, irgendwelche Daten zu Bitcasa zu verschieben, um lokal Speicherplatz zu sparen. Fragt mal bei Google nach: bitcasa data loss
Übrigens: Bei Dropbox kriege ich für 9,99 pro Monat ebenfalls 1 TB Onlinespeicherplatz, und genau dorthin werde ich die Dateien jetzt sichern.
Danke für die Aufmerksamkeit.